Wege zur Selbst­findung

5. Nov. 2019 | Quer

Nach innen wandern und sich selbst finden: Innehalten am Luchs Trail ©ARGE Luchs Trail/Max Mauthner

Selbstfindung ist on vogue und in den letzten Jahren ein Modewort geworden. Manchmal hat man geradezu den Eindruck, man muss sich quasi selbst finden. Häufig werden mit dem Thema Selbstfindung auch Wanderreisen am Jakobsweg in Zusammenhang gebracht. Aussteigen, Zeit für sich haben und am Jakobsweg sich selbst wieder finden – die perfekten Zutaten zur Selbstfindung? Wir sind der Meinung, dass allerdings nicht nur Pilgerwege einen Zugang zu sich selbst öffnen. Auch wenn wir gerade einen Pilgerweg – den Osttiroler Pilgerweg „Hoch und Heilig“ – entwickeln.

Wir sind überzeugt, dass das Wandern an und für sich – mit oder ohne spirituellen Hintergrund – ein Tor zur einem selbst öffnen kann. Wenn man das Wandern nicht mit Spiritualität oder Selbstfindung verbindet, so lernt man jedenfalls dabei viel über sich selbst. Wie gehe ich mit mir um, wenn es mal einen ganzen Tag regnet? Wie reagiere ich, wenn die falsche Abzweigung genommen wurde. Wie verhalte ich mich gegenüber anderen in der Gruppe, wenn ich Probleme habe oder wie gehe ich damit um, wenn ich alleine unterwegs bin?

Vom Gletscher zum Meer: Wege der Selbstfindung

Wir wollen dazu ein wenig aus unserer Erfahrung über das Gehen von Wegen und Umwegen auf Trails berichten. Welcher Trail würde sich dazu besser eignen als der Alpe Adria Trail mit seinen 27 Etappen und seiner Wegführung durch drei Länder. Solche Fernwanderwege bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Selbstfindung. Der Trail führt topographisch vom Gletscher zum Meer. Aber wohin wird er Dich führen?

Bekanntlich führen alle Wege nach Rom. Am Alpe Adria Trail führen allerdings alle Wege nach …. Muggia. Nun Muggia ist nicht Rom, dennoch stellt das schmucke Dörfchen an der oberen Adria als Endpunkt des Alpe Adria Trails ein wichtiges Ziel für viele Wanderer dar. Aber der Trail ist lange und wie findet man auf der langen Strecke immer den „richtigen“ Weg?

Von Wegen und Umwegen!

Keine Angst, der Alpe Adria Trail ist wirklich gut beschildert. Aber vom Weg mal abzukommen, könnte auch etwas Reizvolles an sich haben. Es kommt wohl darauf an, wie im Leben auch, wie man mit einer solchen Situation umgeht. Man könnte es mit Humor nehmen und dann klingt das so: „Umwege erweitern die Ortskenntnis!“ Solche Umwege sind ja auch neu zu gehende Wege und führen vielleicht zu einer versteckten Kapelle, zu einem beschaulichen Teich oder zu einem Aussichtspunkt, der neue Einblicke erlaubt. Jedenfalls führen Umwege so auch zu neuen Erfahrungen. Und erfahren ist letztendlich, wer gelernt hat, mit der Widrigkeit der Dinge, mit Widerstand und Verzögerungen umzugehen, wer gelernt hat, Umwege zu gehen und zu finden.

Panoramaweg Südalpen Sonnenuntergang
Wegfindung anstatt Selbstfindung: Wo geht’s lang – da oder doch da oder …

Der Arzt und Anthropologe Günther Mattitsch schreibt in seinem Buch „Die Welt ist offen“ Folgendes zum Thema Selbstfindung: „Alle Wege führen zu Dir selbst. Denn auf wie vielen Umwegen bringen wir jetzt das in unsere Reichweite, in unsere Verfügbarkeit und Erfahrung, was uns dann helfen wird; von dem wir bemerken, dass es unserer Fähigkeit gedient hat und uns jene Kompetenz vermittelt hat, um den nächsten Schritt gut zu bewältigen. Geh also deinen Umweg getrost. Denn was wissen wir schon vom Geheimnis unseres Weges?“

Wander- und Lebenswege
Für mich persönlich haben Wanderwege und Lebenswege daher etwas Wesentliches gemeinsam: sie können nirgendwo anders hinführen als zu mir selbst – alle scheinbaren Umwege mit eingeschlossen! Der Zen-Meister Shunryú Suzuky hat dazu folgende Zeilen geschrieben: „Ich gehe meinen Weg. Wohin ich auch gehe, treffe ich mich selbst.“ Daran führt wohl kein Weg vorbei!

In diesem Sinne wird dann Schritt für Schritt der Weg zum Ziel. Wer dann allerdings einen Weg einschlägt, der nicht schon in seiner Art das Wesen des Zieles darstellt, wird es verfehlen. Der Religionsphilosoph Martin Buber drückte dies einmal so aus: „Das Ziel, das man erreicht, wird nicht anders aussehen als der Weg, auf dem man es erreicht!“ Wenn man also mit der Stoppuhr leistungsorientiert von einer Etappe zur nächsten hetzt, wird man den Ankunftsort wohl auch etwas stressig erleben.

In diesem Fall ist man aber vielleicht gar nicht richtig angekommen, sondern schon wieder auf der Suche nach dem nächsten Ziel. Dann wird die Selbstfindung wohl eher zur permanenten Selbstsuche. Hermann Hesse schriebt dazu in Siddhartha so treffend. „Suchen heißt: ein Ziel haben. Finden aber heißt: frei sein, offen stehen, kein Ziel mehr zu haben.“ Mehr dazu findest Du hier.

Panoramaweg Südalpen Sonnenuntergang

Der Endpunkt des Alpe Adria Trails: Muggia – das beschauliche Fischerdörfchen an der oberen Adria

Muggia ist ein sehr beschauliches Fischerdörfchen und hätte es in diesem Sinne verdient, dass man sich ihm mit der Gelassenheit eines geruhsamen Wanderschrittes nähert. Letztlich spielt es aber keine Rolle, ob Muggia den Endpunkt Deines Weges darstellt oder ein anderer Ort am Trail. Wenn man seinen Weg in dem beschriebenen Bewusstsein bewältigt, bleibt es wohl jedem Einzelnen überlassen, seinen eigenen Weg zu finden – trotz aller Hinweisschilder.

Autor

Werner Mussnig

Der habilitierte Wirtschaftswissenschaftler ist seit jeher zwischen der Welt der Wirtschaft & seinen Hobbies Klettern & Trekking hin und hergerissen. Wobei Werner jetzt immer mehr in das Universum von Bookyourtrail eintaucht.

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